14. Weitere Gerüchte

„Ich mache mir solche Vorwürfe“ – „Hör auf, Tisha. Du konntest das doch nicht ahnen. Niemand konnte wissen, dass so ein Unfall passieren würde.“ Barby redete beruhigend auf ihre Schwester ein, die ihr gegenüber am Küchentisch saß. 

„Aber ich hab Angelo doch gezwungen Paddy dort hin zu bringen. Hätte ich dies nicht getan, hätte Paddy mit dem Taxi fahren können und dann wäre das alles nicht passiert. Oder ich hätte ihm doch auch mein Auto leihen können. Oder er hätte den Termin verschieben müssen.“ Patricia steigerte sich immer weiter in ihre Selbstvorwürfe hinein und fing an zu weinen. „Ich bin Schuld daran, dass Angelo diesen Unfall gebaut hat, ich wusste doch, dass die zwei Probleme miteinander haben und ich hätte sie niemals zusammen fahren lassen dürfen.“ - „Patricia. Jetzt hör mir zu: Du kannst da nichts für.“ Sagte Barby mit Nachdruck. „Es ist nun einmal passiert und niemand konnte das vorhersehen. Freu dich lieber über die Tatsache, dass denen nichts Schlimmeres passiert ist. Es hätte auch anders ausgehen können.“ - "Nein, es ist alles meine Schuld und ich könnte das auch verstehen, wenn nun beide nichts mehr mit mir zu tun haben wollen. Aber egal. Barby, ich gehe jetzt ins Bett. Schlaf gut.“ Da Barby spürte, dass Patricia jetzt allein sein musste, ließ sie ihre Schwester gehen. „Schlaf gut, Trisha.“ So verzogen sich beide ins Bett, während draußen der Tag bereits angebrochen war und die Stadt erwachte.

 

Als Angelo aufwachte spürte er zuerst einen stechenden Schmerz im Kopf und fühlte sich durch die Helligkeit geblendet. Wo bin ich hier? Überlegte er, doch dann fiel ihm schlagartig der Unfall und die Stunden danach wieder ein. Er drehte seinen Kopf vorsichtig ein Stückchen nach links und sah Paddy auf der Seite liegend, mit geöffnetem Mund schlafend. Er drehte den Kopf wieder gerade und starrte an die weiße Zimmerdecke. Wie soll ich mich ihm gegenüber jetzt verhalten? Grübelte er weiter. Er horchte in sich hinein, doch der Hass, den er Paddy gegenüber seit Jahren verspürte war noch nicht ganz abgeklungen. Er war geschrumpft, auf jeden Fall, aber noch war ein kleiner Stich zu spüren. Aber ich will ihm verzeihen, sagte er sich, es kann nicht sein, dass ich ihm das nach all den Jahren nicht verzeihen kann, obwohl ich mich damals vermutlich wirklich verhört habe.

 In diesem Moment betrat die Lernschwester gut gelaunt das Zimmer und stellte sich vor Angelos Bett. „Guten Morgen Angelo, äääh, Herr Kelly“ sie lief tomatenrot an. „Schon okay,“ antwortete dieser mit einem leichten Lächeln „ich kann zwar ohne Brille nichts sehen, aber ich vermute mal wir sind ja ungefähr in einem Alter, kannst ruhig du zu mir sagen.“ Die Lernschwester freute sich tierisch und wurde noch roter. „So, dann wollen wir mal weiter machen.“  

„Guten Morgen“ tönte es eben aus der anderen Hälfte des Bettes, Paddy war aufgewacht. Die Lernschwester bekam nun fast keine Luft mehr vor Aufregung und bekam hektische Flecken im Gesicht. „Guten Morgen Herr Kelly“ antwortete sie atemlos. 

„Hey, du sollst uns doch duzen. Paddy ist da auch nicht so, nicht wahr, Brüderchen?“ Er grinste seinen Bruder an, verzerrte dann aber schmerzvoll das Gesicht. „Ja, genau. Ich bin Paddy.“ Er hielt ihr die Hand hin und lächelte sie mit seinem umwerfenden Lächeln an. Sie ging ein paar Schritte um das Bett herum, wischte sich unauffällig die verschwitzten Hände an ihrem Kittel ab und gab ihm auch die Hand. „Schön dich, äääh euch kennen zu lernen.“ Angelo befürchtete schon, dass sie vor lauter Aufregung gleich in Ohnmacht fallen würde. Für ihn war es offensichtlich: Die Lernschwester war bis über beide Ohren in Paddy verliebt. 

„Du bist ein Fan von uns, oder?“ fragte er ganz dreist. „Ääääähm.... ja...“ antwortete sie leise. „Cool“ meinte Angelo nur und lehnte sich wieder zurück. Die Lernschwester machte weiterhin ihre Arbeit und schlug sogar Paddys Kissen noch mal aus, dann zupfte sie Paddys Decke zurecht und brachte ihm ein neues Wasser an das Bett. Dann verließ sie hochrot das Krankenzimmer. 

„Ähm... Ich glaub, sie hat mich vergessen. Würde eigentlich auch gerne etwas trinken“ motzte Angelo. Paddy lachte nur „Tja, bist eben nicht so nett wie ich, ne.“ -  „Hätte ich nicht solche Kopfschmerzen, würde ich dich jetzt mit meinem Kissen verprügeln“ drohte Angelo scherzhaft. – „Dann wäre dein Kissen wenigstens auch ausgeschüttelt“ kicherte Paddy. „Ha Ha Ha, sehr lustig, sehr lustig“ Angelo grinste nur und legte seine Hand auf Arm „Weißte, Brüderchen, dafür bin ich innerlich schön“ er lachte grunzend und spürte die Schmerzen nicht, er genoss es einfach neben seinem Bruder zu liegen und gemeinsam mit ihm zu lachen. Paddy verstand den Witz und lachte mit Angelo zusammen, bis sie sich den Bauch hielten und nicht mehr konnten.

 

Die Tage vergingen und Angelo und Paddy waren inzwischen schon wieder zu Hause, auch mit Patricia hatten sie geredet und sie besänftigt. Keiner war sauer auf sie und niemand machte ihr Vorwürfe. Die Wunden waren noch nicht ganz verheilt, aber das gröbste war überstanden. An einem relativ warmen Tag Mitte Mai saßen dann Angelo und Paddy mit Angelos Band im Tonstudio auf Sofas und besprachen Angelos neue Tour, die in einer Woche los gehen sollte, außerdem wollte Angelo nach der Tour gerne eine neue CD aufnehmen und wollte vorab schon mal ein paar Lieder auf den Konzerten testen. „So, hat denn jetzt jeder die Reihenfolge der Songs im Kopf?“ Er sah seine Band an, sah aber nur nickende Köpfe. Zufrieden stand er auf „Gut, dann können wir ja gleich weiterproben, stellt euch doch schon mal an eure Instrumente, ich muss nur mal kurz austreten. Mit den Worten verschwand er und seine Musiker stellten sich schon zu ihren Instrumenten. Paddy schnappte sich einen Stuhl und setzte sich so, dass er durch die Scheibe sehen konnte, was da vor sich ging. 

Doch die Zeit verging und Angelo kam nicht wieder. „Hey Paddy, willst du nicht einspringen, Angelo ist anscheinend vom Klo verschluckt worden“ flachste Jens, der Bassist, der seinen Kopf zur Tür hereinsteckte. „Gute Idee eigentlich“ lachte Paddy. Jens verschwand wieder und ging zur Toilette um Angelo zu suchen. „Das kann noch dauern“ meinte Jens, als er wieder zurück kam. „Ich will gar nicht so genau wissen, warum“ lachte Florian, der Drummer – „Nee, nicht das was du meinst, Flo. Er telefoniert mal wieder mit irgendso einem Veranstalter für einen Auftritt bei einem Festival. Dann können wir uns noch ein bisschen entspannen.“ 

Jens hängte sich wieder das Bass um und zupfte wahllos ein paar Saiten. Flo begann ein Drum Solo zu spielen und Matthias stellte sich hinter das Keyboard. Es war ein musikalisches Chaos und Paddy nutzte die Chance und gesellte sich zu den Jungs. Er nahm Angelos Akustikgitarre und fing an „One more freaking dollar“ zu spielen und sang dazu. Die anderen kannten die Noten leider nicht und improvisierten entsprechend dazu, aber mitsingen konnten sie dennoch. Es klang ein bisschen merkwürdig, aber nicht schlecht. 

Angelo beendete das Telefonat und ging wieder ins Tonstudio. Was ist denn das für Musik? Wunderte er sich. Erst spät erkannte er die eigenartige Version von „One more freaking dollar“ und Paddy als Leadsänger. Er stellte sich in die Tür, grinste und wartete ab. Niemand bemerkte ihn, weil sie so ins Spielen vertieft waren, aber er hörte einfach nur zu. Als sie fertig waren applaudierte er. „Sehr schön. Sehr schön. Mir ist da gerade eine Idee gekommen.“ Er grinste die Jungs schelmisch an und spannte alle noch ein wenig auf die Folter. „Wie wäre es, Paddy, wenn du bei einem Konzert, oder gerne auch bei mehreren mit uns zusammen dieses Lied singst? Das Konzert in Hamburg wird dieses Mal aufgenommen und es wäre doch nett, wenn du mit auf der Bühne stündest....“ Paddy war sprachlos und überwältigt, konnte aber nicht antworten, da in diesem Moment Kira zur Tür hereingestürmt kam „Darling, ihr müsst unbedingt sehen was für ein Mist in der Zeitung steht.“ 

Sie war komplett außer Atem und setzte sich erst einmal hin. Die Zeitung hielt sie hoch und Jens, der ihr am nächsten Stand schnappte sie sich. Aber Angelo stibitzte sie ihm sofort wieder, er bekam große Augen „Oh nein“ Es war nicht zu übersehen, schon auf der Titelseite leuchtete es in großen Lettern: 


AMOKFAHRT

Kelly-Sprösslinge bauen Unfall – Flucht vor der Polizei? Bericht auf Seite 5 

„Das ist echt zum kotzen“ meckerte Angelo „die spinnen doch. Langsam reicht es mir.“ – „Jetzt schlag aber schnell die Seite 5 auf“ meinte Paddy „ich will wissen was die sonst noch phantasieren.“ Angelo blätterte zur entsprechenden Seite und begann zu lesen.

 

Unfall der Kelly-Family-Geschwister – War es Alkohol oder die Flucht vor der Polizei? 

Der Unfall hatte sich bereits am 30.04. ereignet, wurde uns allerdings erst jetzt bekannt. Wie ein guter Freund der Familie uns berichtete, war Angelo Kelly, der Fahrer des Unfallwagens, mit seinem Bruder Paddy, beide vermutlich unter Alkoholeinfluss, unterwegs und verlor aufgrund der nassen Fahrbahn und extrem erhöhter Geschwindigkeit die Kontrolle über seinen alten Kleinwagen, der - Insiderberichten zufolge - auch nicht mehr verkehrstüchtig war. Sie landeten im Graben und konnten sich nicht aus eigenen Kräften retten, erst ein Freund der Familie fand die jungen Männer. 

Wie wir bereits am Unfalltag berichteten, befindet sich Paddy Kelly auf der Flucht vor der französischen Polizei, war diese involviert? Was hat sich im Kloster zugetragen, dass es das Leben der streng katholisch lebenden Hippie Familie so auf den Kopf gestellt hat?  

Eine Aussage war von den Kelly Kindern leider nicht zu bekommen, aber es scheint sicher, dass die ehemals so harmonische Familie Dreck am Stecken hat. Wir bleiben auf jeden Fall an dem Thema dran. 

Passiert ist den Brüdern nichts, beide konnten nach wenigen Tagen das Krankenhaus verlassen.  

Morgen lesen Sie zu diesem Thema ein Interview mit einer Schwester des Krankenhauses.

  

Paddy und Angelo sahen sich wütend an „Das kann doch nicht sein“ fand Angelo als erster seine Sprache wieder „das ist wieder alles erstunken und erlogen. Und welche Schwester soll denen bitte ein Interview gegeben haben? Da bin ich ja mal gespannt. Die bekommt dann einen Einlauf von mir.“ Paddy schüttelte nur den Kopf „Ich weiß nicht warum die so einen Rufmord machen. Vielleicht sollten wir der Konkurrenz ein Interview geben?“ Kira legte den Kopf schief „Das ist eine gute Idee. Wir gehen doch eh auf Tour, vielleicht kann man das verbinden? Und möglicherweise solltest du, Paddy, dich mal in der Öffentlichkeit zeigen um zu zeigen, dass du eben NICHT vor der Polizei auf der Flucht bist.“ „Da hast du wohl Recht, Kira. Aber mir graut davor, mich diesen fleischfressenden Bestien von Reportern stellen zu müssen.“ – „Es ist ganz alleine deine Entscheidung, überleg es dir. Sprich doch mal mit den anderen darüber, mal sehen wie die das finden.“ 

Dieser Artikel machte schnell die Runde in der Großfamilie und schlug ein wie eine Bombe. Alle waren entsetzt und machten sich Gedanken warum der Reporter solche Lügen erzählte, letztendlich entschieden sich aber alle erneut dagegen, rechtliche Schritte einzuleiten. Sie wollten diesen Artikel ignorieren, beziehungsweise nur auf allen Homepages eine kurze Meldung verfassen. Die wahren Fans würden schon wissen, dass das alles Unsinn war.

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Kommentare: 3
  • #1

    Die Micha (Sonntag, 10 Oktober 2010 18:45)

    Bin ich froh nicht berühmt zu sein, wenn man sich mal vorstellt, dass das wirklich so läuft!
    Du wärst echt ne gute Reporterin! ;-)

  • #2

    strangersworld (Dienstag, 12 Oktober 2010 22:31)

    Ich sollte mich vielleicht mal bei der "Zeitung" mit den 4 großen Buchstaben bewerben ;-)
    Nee, lieber nicht. Ich bleib bei meinen Geschichten :D

  • #3

    Mandy (Dienstag, 24 Januar 2012 17:10)

    "Dann ist dass kissen wenigstens aufgeschüttelt"!!! ha ha ha der spruch hat gesessen...