30. Aussprache

Angelo und Paddy saßen gemeinsam in einem Café und warteten darauf, dass die nette blonde Kellnerin ihnen ihre Getränke brachte.
„Wie geht es dir denn im Augenblick?“ Angelo lachte höhnisch auf „Wie soll es mir wohl gehen? Meine Frau und meine Kinder sind seit etwas mehr als 2 Wochen weg und bisher hat sich keiner bei mir gemeldet. Sie fehlen mir so.“ Paddy nickte, antwortete aber nicht, da die Kellnerin gerade die Teetassen vor die Brüder stellte.
„Hast du denn mal versucht sie anzurufen?“ wollte Paddy wissen, als die Kellnerin sich wieder entfernt hatte. Angelo schüttelte den Kopf „Sie hat mir beim Weggehen klipp und klar gesagt, dass sie erst mal nichts von mir hören möchte.“ Angelo rührte mit dem Löffel in seinem Tee und sah dabei durch die Glasscheibe nach draußen. Es war zwar sehr warm, fast schwül, aber der Himmel war mit dunklen Wolken bedeckt. Aber es passte zu Angelos Stimmung „Ich bin nur froh,“ fuhr Angelo fort „dass ich zur Zeit eine Tourpause habe und dass es erst in zwei Wochen weiter geht. Ich weiß nicht, ob ich die Konzerte sonst so überstanden hätte. Die drei von letzter Woche hab ich auch nur mit Hängen und Würgen hinter mich gebracht.“
Paddy nickte verständnisvoll „Ich kann mir vorstellen, dass das für dich nicht einfach ist. Aber ich würde sagen: Ruf sie doch einfach mal an. Sag ihr, dass sie dir nicht einfach so die Kinder nehmen kann und dass du auch das Recht hast deine Kinder zu sehen. In dem Zusammenhang kannst du dann ja auch durchklingen lassen, dass sie dir ebenfalls wahnsinnig fehlt.“
Angelo stützte den Kopf auf die Hände und sah Paddy in die Augen „Ich trau mich nicht.“ Paddy lachte auf „Du kennst sie seit du klein bist, ihr seid verheiratet und da TRAUST du dich nicht?“
Angelo fand das ganze jedoch gar nicht witzig „Ja, ist eben so. Ich trau mich nicht. Sie fehlt mir so sehr und ich habe solche Angst, jetzt einen Fehler zu begehen, so dass sie womöglich gar nicht mehr zu mir zurück kommt.“
„Das wird schon wieder, glaub mir“ – „Dein Wort in Gottes Ohr. Obwohl ich sollte eher sagen: Dein Wort in Kiras Ohr.“ Gedankenverloren spielte er mit dem Teelöffel „Ich könnte mich ja auf einem Schimmel vor ihr Fenster stellen und ihr ein Liedchen trällern“
Paddy lachte, Angelo konnte anscheinend schon wieder Späße machen, das war gut. „Genau, und dann ziehen wir dir noch ein mittelalterliches Kostüm an und du musst das ganze als Minnesang vortragen.“
Angelo fiel, etwas verkrampft, in Paddys Gelächter mit ein „Ja klar und dann steht sie am Fenster und lässt ihr Haar herunter, damit ich dran hochklettern kann.“ – „Oder sie wirft einen Blumentopf nach dir“ – „Was wohl etwas wahrscheinlicher ist.“ Beide konnten sich vor Lachen kaum noch halten und die Tränen standen ihnen in den Augen. Die anderen Gäste guckten etwas irritiert, ließen sich aber nicht weiter stören.
Als sich die Brüder wieder etwas beruhigt hatten wischten sie sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln und holten einmal tief Luft.
„Oh Mann, Paddy,“ stöhnte Angelo nun herzzerreißend „Ich will meine Frau zurück.“ Angelos Gefühle waren komplett umgeschwenkt und er begann nun zu weinen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass wir jetzt so komplett getrennt sein sollen.“
Paddy tätschelte Angelos Schulter „Beruhig dich. Du schaffst das schon irgendwie. Du musst sie eben davon überzeugen, dass du der Richtige für sie bist.“ – „Aber wie?“
Paddy kratzte sich am Kopf „Hmm...“ – „Tolle Antwort“ diese Aussage triefte nur so vor Ironie.
„Ja, ist ja gut. Gib mir doch ein bisschen Zeit um darüber nach zu denken. Du könntest ein Lied für sie komponieren?“ – „Tolle Idee. Hab ich ja noch nie gemacht“ Angelo hatte offenbar Gefallen an ironischen Antworten gefunden und rollte dabei mit den Augen „Es muss irgendetwas Neues sein. Das ich noch nie für sie gemacht habe.“ – „Wie wär’s mit kochen?“ – „Ha Ha Ha. Du bist mir keine große Hilfe“ Angelo schmollte und schob beleidigt die Unterlippe vor.
„Och Angie. Dann schreib ihr ein Gedicht, oder mal ein Bild. Oder häng ein Plakat in der Innenstadt auf, „Kira, komm zurück zu mir“, oder bastle ihr irgendetwas. Sei doch mal kreativ.“ – „Ich kann nicht kreativ sein.“ – „Du bist Musiker.“ – „Das ist etwas völlig anderes, da kann ich sehr wohl kreativ sein. Auf allen anderen Gebieten aber bin ich unkreativ.“ – „Du bist ein hoffnungsloser Fall. Dann kann ich dir leider auch nicht...“ Paddy brach ab, weil er merkte, dass Angelo ihm plötzlich gar nicht mehr zuhörte, stattdessen starrte er aus dem Fenster, als hätte er einen Außerirdischen gesehen. Paddy folgte seinem Blick und sah nun was, besser gesagt, wer ihn da so fesselte.
Auf der anderen Seite der Glasscheibe stand Kira mit Helen und Emma an der Hand, Gabriel war nirgends zu sehen. Kira starrte ebenfalls zurück und keiner von Beiden reagierte in irgendeiner Weise, sie starrten sich einfach nur an.
„Ähm, Angelo“ Paddy piekste Angelo in den Arm, doch dieser starrte weiter seine Frau an „Angelo“ sprach er ihn nun eindringlicher an „Vielleicht solltest du sie reinbitten, dann könnt ihr euch aussprechen.“ Doch von Angelo kam immer noch keine Reaktion, also stand Paddy auf und ging nach draußen zu Kira um sie mit sich zu ziehen. Von ihr kam keinerlei Gegenwehr, sie ließ sich widerstandslos von ihm in das Café zerren. Ihre Töchter hatten sich von ihrer Hand losgerissen und liefen aufgeregt zu ihrem Vater um ihn stürmisch zu umarmen. Es war eine herzzerreißende Szene, die Mädchen freuten sich wahnsinnig ihren Papa wieder zu sehen, verstanden aber nicht, warum Angelo zu weinen begann, als er die Mädels an sich drückte und seine Nase in ihren Haaren vergrub.
„Warum weinst du, Papa?“ wollte Helen wissen, die die Situation nicht verstand.
„Ich freu mich nur so euch zu sehen, wir haben uns schon so lange nicht mehr gesehen.“ – „Das stimmt“ sie nickte mit kindlichem Enthusiasmus „ich freu mich auch dich wieder zu sehen.“
Sie wollte gerade auf seinen Schoß krabbeln, als Paddy die Mädchen hochhob „Was haltet ihr davon, wenn wir drei Hübschen da drüben auf den Spielplatz gehen und Mama und Papa in Ruhe reden lassen?“ – „Au ja,“ freute Helen sich „dürfen Gabe und Tante Meike dann auch mitkommen?“ – „Aber na klar. Wo sind die denn?“ Doch das wusste Helen nicht, so sah er Kira fragend an, die wortlos auf ein Spielwarengeschäft zeigte und Paddy verstand. Also verzog er sich mit den Mädchen aus dem Café, bezahlte aber vorher vorsichtshalber schon einmal die Rechnung.
 
Es herrschte eine merkwürdige Stimmung zwischen Angelo und Kira. „Setz dich doch“ Angelo deutete auf den Stuhl, auf dem bis vor kurzem noch Paddy gesessen hatte. Kira kam der Aufforderung nach und setzte sich in Zeitlupe auf den Stuhl, dann schwiegen sie sich wieder an, weil keiner wusste wie er das Gespräch beginnen sollte.
Angelo nahm sich vor, ruhig zu bleiben und wollte das Gespräch sachlich angehen. Am besten frage ich sie zuerst wie es ihr geht, überlegte er. „Wie geht es dir?“ fragte er also. „Gut. Danke. Und dir?“ Sie wirkte unsicher, fast schüchtern, als hätten sie sich gerade erst kennen gelernt.
„Mir geht es beschissen um ehrlich zu sein. Die Kinder fehlen mir. Und du fehlst mir auch.“ Eigentlich hatte er sich vorgenommen nicht direkt mit der Tür ins Haus zu fallen, aber irgendwie hat das nicht so funktioniert.
„Angelo“ Kira konnte ihm nicht in die Augen sehen „bitte hör auf. Ich stehe zu meiner Entscheidung, ich brauche meine Freiräume.“
„Okay“ presste er hervor „aber die Kinder, die will ich sehen. Ich liebe unsere Kinder, das weißt du. Ich kann nicht ohne sie.“ – „Aber wie stellst du dir das vor?“ – „Ich muss mir nichts vorstellen, Kira. Du willst dich von mir trennen, du musst dir Gedanken machen. Ich liebe dich nach wie vor.“
Kira zuckte nur mit den Schultern und wusste darauf keine Antwort.
„Aber eine Frage hab ich an dich“ Angelos Stimme klang nun fest und sicher und er blickte in ihre fragenden Augen. „Was sind die Gründe für diese Trennung? Gibt es einen anderen Mann?“
Kira schüttelte entsetzt den Kopf „Wann hätte ich denn einen anderen Mann kennen lernen sollen? Ich war doch immer bei dir.“ – „Aber was ist es dann, Kira, bitte, sag es mir doch.“ – „Ich hab mich irgendwie eingeengt gefühlt. Immer musste ich mit dir und deiner Band durch die Gegend reisen, immer musste ich mit auf der Bühne stehen, immer musste ich gut aussehen, durfte mir keinen schlechten Tag erlauben. Angelo, ich bin nicht wie du, ich wurde nicht für die Bühne geboren.“ Angelo nickte betroffen „Mir war nie so bewusst, dass du so unglücklich auf der Bühne bist und dass ich dich so sehr dazu dränge. Das tut mir leid. Aber weißt du was mir bei deiner Aufzählung aufgefallen ist?“ Kira verzog irritiert das Gesicht „Nein, was denn?“
Angelo strahlte „Nichts von deiner Aufzählung hatte mit mir als Person zu tun, nur mit der Bühne. Dann kann ich doch eigentlich gar nicht so schlimm sein, oder?“ Er sah so süß aus, wie er da erwartungsvoll auf seinem Stuhl hockte und sie freudig ansah, aber Kira hatte sich vorgenommen standhaft zu bleiben.
„Guck mich nicht mit diesem Dackelblick an, Angelo. Das zieht nicht.“ Schmunzeln musste sie trotzdem. „Hab ich dir eigentlich jemals gesagt wie schön du bist, wenn du lächelst?“ Er wollte sie bewusst provozieren, er spürte einfach, dass sie auch noch Gefühle für ihn hatte und nur ein wenig „blockiert“ war.
Ihr Lächeln wurde breiter „Hmm.. Nein, das hast du mir nie gesagt.“ Kira, was machst du hier, schimpfte sie gedanklich mit sich selbst, du sollst doch nicht mit ihm flirten.
„Dann sag ich es dir jetzt: Du bist so schön, wenn du lächelst.“ – „Danke“ kokett blinzelte sie ihn an. Kira, hör sofort auf damit, schimpfte sie sich weiter aus und setzte ein entschlossenes Gesicht auf „Aber das reicht jetzt. Du wirst mich nicht umstimmen können. Ich brauche meinen Freiraum, bitte versteh mich.“ – „Nein, das kann ich nicht verstehen. Ich verspreche dir, dass du nicht mehr mit mir auftreten musst. Ich suche mir eine Backgroundsängerin und du kannst machen was auch immer du möchtest.“ – „Das ist es doch nicht.“ – „Was denn dann, Kira? Ich verstehe dich nicht.“ Kira drehte ihr Gesicht weg und Angelo spürte wie seine Argumente in ihr arbeiteten. „Alles“ – „Was, alles?“ – „Ach, ich weiß es nicht.“
Die Beiden diskutierten und redeten noch eine ganze Weile weiter ohne wirklich zu einem Ergebnis zu kommen. Die Themen drehten sich aber bald nicht mehr nur um sie beide, sondern auch um die Kinder, die Verwandten und Freunde. Auch über alltägliche Themen wurde geredet und Kira entspannte sich zusehends, sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie und ihr Mann zuletzt solche Gespräche geführt hatten. Sie genoss diese Situation, sagte sich aber immer wieder, dass sie nicht zu ihm zurück gehen würde.
 
Es war längst dunkel draußen als sie sich entschlossen aufzubrechen, da fiel Kira blitzartig ein, dass sie Paddy und ihre Kinder total vergessen hatte „Oh Gott. Der arme Paddy, der hat ja nun die ganze Zeit über unsere Kinder gehabt. Ich sollte ihn anrufen.“ Sie zückte ihr Handy und wählte Paddys Nummer. Angelo beobachtete sie während des gesamten Telefonats und genoss noch die letzten Minuten, die sie gemeinsam verbringen würden.
„Und, wo sind sie?“ fragte Angelo als Kira das Telefonat beendet hatte und ihr Handy achtlos in die Handtasche warf. „Sie sind zu Hause, ääähm, also…“ Kira wurde rot und wusste nicht, wie sie das Haus bezeichnen sollte, in dem sie so lange mit Angelo gewohnt hatte „naja, also sie sind in unserem Haus.“ Angelo ließ sich davon nicht irritieren „Wie bist du denn hier? Mit dem Auto?“ – „Nein, Meike hatte uns gefahren, aber die ist ja nun schon wieder zu Hause. Bist du auch nicht mit dem Auto hier?“ Angelo schüttelte den Kopf „Ich brauchte Bewegung und bin daher mit Paddy zu Fuß hier her gegangen. Sollen wir uns ein Taxi rufen?“
Kira dachte kurz nach „Eigentlich würde ich den Weg auch gerne zu Fuß gehen um den Kopf noch mal frei zu bekommen. Gehst du mit mir?“
Angelo freute sich über die unerwarteten gemeinsamen Minuten, die nun vor ihnen lagen „Natürlich. Ich muss doch auf dich aufpassen.“
Seine Frau sah nur kurz zu ihm rüber und schenkte ihm ein dankbares Lächeln. Angelo hielt ihr den angewinkelten Arm hin „Kann’s dann los gehen, junge Frau?“
Sie ließen die Innenstadt hinter sich und wanderten durch Kölns Straßen. Es war ein weiter Weg, aber beide genossen diesen Fußmarsch und sie wussten ja, dass die Kinder bei Paddy gut aufgehoben waren, also brauchten sie sich nicht zu sorgen.
Dieses Mal sprachen sie aber kaum, sondern genossen einfach den lauen Abend und lauschten dem Zirpen der Grillen. Viel zu schnell für Angelos Geschmack war der Spaziergang auch schon wieder vorbei und sie standen vor der Haustür ihres gemeinsamen Wohnsitzes. Gewohnheitsmäßig griff Kira in ihre Handtasche bis ihr einfiel, dass sie den Schlüssel ja gar nicht mehr bei sich trug. Lachend hielt er ihr seinen vor die Nase „Damit könnte es gehen“ – „Da könntest du Recht haben“ lachte sie mit ihm, jedoch als er den Schlüssel in das Schloss stecken wollte hielt sie seinen Arm fest. Irritiert drehte er sich zu ihr und ehe er wusste wie ihm gescha lagen ihre weichen Lippen auf seinen.
Er ließ den Schlüssel achtlos fallen und vergrub seine Hände in ihren offenen Haaren, ihre Hände wanderten auf seinen Rücken streichelten zärtlich darüber.
Ihre Lippen verschmolzen zu einem nicht enden wollenden Kuss und beide vergaßen die Zeit, bis sich plötzlich die Haustür öffnete und Paddy mit offenem Mund neben ihnen stand „Verdammt… Warum trete immer ich in diese Fettnäpfchen?“ So schnell es ging schloss er die Tür wieder, aber die Stimmung zwischen Kira und Angelo war hinüber. „Sorry“ wisperte Kira „ich hätte mich dazu nicht hinreißen lassen dürfen.“ – „Mich hat es nicht gestört, im Gegenteil“ Angelo sah Kira nicht an, sondern hob den Schlüssel hoch und öffnete die Tür. Kira ärgerte sich nun, dass sie das gesagt hatte, sie spürte, dass Angelo verletzt war und nahm sich vor sich gleich bei ihm zu entschuldigen.
 
„Hey sorry, tut mir leid.“ Paddy entschuldigte sich schon zum 5. Mal bei den Beiden „Ich hab nur vor Geräusche der Tür gehört und wollte gucken was da los ist.“
„Ist schon okay“ versuchte Angelo ihn vergeblich zu beschwichtigen.
„Wo sind denn eigentlich die Kleinen?“ Kira wollte das Gespräch auf ein anderes Thema lenken. – „Ähm, na ja, die waren so müde und ihr habt euch soviel Zeit gelassen, da hab ich sie in ihre Betten verfrachtet.“ Kiras Gesichtszüge entgleisten, daran hatte sie gar nicht gedacht.
„Aber keine Angst, ich hab sie geduscht, ihnen die Zähne geputzt und sogar die Windeln gewechselt. Und jetzt schlafen sie seelenruhig“ Paddy lächelte sie unschuldig an, natürlich war ihm bewusst, dass Kira nun über Nacht hier bleiben musste, sie würde nie im Leben die Kinder alleine lassen.
„Und nun?“ Kira hatte Panik in den Augen. „Musst du wohl hier bleiben“ Paddy zuckte mit den Schultern – „Aber du schläfst im Gästezimmer. Wo soll ich dann hin?“ Paddy grinste vielsagend, doch Angelo mischte sich nun in den Dialog ein „Ich kann sonst gerne auf dem Sofa im Wohnzimmer schlafen, dann hast du das Bett für dich.“
Kira dachte nach, eigentlich wäre es ihr lieber gewesen, sie hätte mit den Kindern in das Hotel fahren können, wo sie sich zur Zeit eingemietet hatte, aber sie wollte die Kinder nun auch nicht wieder wecken und alleine fahren käme gar nicht in Frage. So fügte sie sich ihrem Schicksal „Okay. Dann gehe ich schon mal ins Bad und mache mich bereit für’s Bett, okay?“
Die jungen Männer nickten und Kira verschwand im Badezimmer.
 
In der Zwischenzeit holte Angelo sich seine Bettwäsche aus dem Schlafzimmer und legte sie auf das Sofa, für Kira bezog er frische Bettwäsche und drapierte sie gemütlich auf der Matratze, damit sie sich sofort ins Bett kuscheln konnte. Dann ging er wieder zu Paddy in die Küche, der ihm eine Bierflasche hinhielt. Angelo öffnete die Flasche professionell und legte die Füße auf den Tisch.
„Aber jetzt erzähl mal. Ihr habt euch geküsst und nun schlaft ihr doch getrennt? Wie kommt’s?“ Paddy machte es seinem Bruder nach und legte ebenfalls seine Füße auf den Tisch. „Ja, das hab ich leider auch nicht so verstanden. Wir hatten einen schönen Abend, wir haben viel gesprochen, auch über uns, es war aber irgendwie total komisch, einerseits als hätten wir uns gerade eben erst kennen gelernt, andererseits aber auch so vertraut. Dann sind wir den Weg vom Café bis hier her zu Fuß gegangen. Naja, und hier vor der Tür hat sie mich einfach an sich gezogen und mich geküsst. Und dann kamst du.“ Angelo trank einen tiefen Schluck aus der Buddel und gab Paddy somit die Gelegenheit darauf zu antworten „Sie hat dich geküsst? Nicht du sie?“ Angelo nickte nur.
„Oh Mann. Und nun verhält sie sich wie die letzte Jungfrau.“ – „Was soll’s. Ich will sie auch nicht drängen, also akzeptiere ich ihr Verhalten.“ Angelo trank den Rest seines Bieres mit einem Zug aus und stellte dann die Füße wieder auf den Boden. „Sei mir bitte nicht böse, aber ich möchte Schlafen gehen.“ – „Kein Problem. Ich verschwinde gleich noch schnell unter die Dusche und dann gehe ich auch ins Bett.“ Er gähnte demonstrativ und verabschiedete sich mit einem kurzen Gute Nacht Gruß. Angelo verschwand derweil im mittlerweile freien Badezimmer, wusch sich und putzte sich die Zähne, dann ging er am Schlafzimmer vorbei, in dem er Kira hantieren hörte und er musste sich beherrschen, nicht die Tür aufzureißen um sie wenigstens noch einmal zu sehen.
So zwang er sich ins Wohnzimmer und schloss die Tür hinter sich, er zog sich bis auf die Shorts aus und legte sich hin, die Decke zog er sich, nachdem er das Licht gelöscht hatte, bis zum Kinn und schloss die Augen.
Doch er fand keinen Schlaf und wälzte sich von links nach rechts und wieder zurück, er versuchte es erst mit Schäfchen zählen, als das nichts brachte lauschte er den Geräuschen im Hause, doch da Paddy und Kira ebenfalls längst in ihren Betten lagen war das nicht sonderlich erfolg bringend.
Doch dann hörte er, wie der Türgriff der Wohnzimmertür betätigt wurde und drehte seinen Kopf zur Tür. „Schläfst du schon?“ Hörte er Kira in die Dunkelheit fragen. Angelo lächelte, auch wenn Kira es nicht sehen konnte „Nein, ich kann irgendwie nicht einschlafen.“ – „Ich auch nicht. Darf ich mich zu dir legen?“ Er hob die Bettdecke an und machte Platz für sie „Was für eine Frage. Du doch jederzeit. Komm her.“ Sie schlüpfte unter die Decke und kuschelte sich mit ihrem Rücken an seinen Bauch. Angelo legte seinen Arm um sie und drückte sie fest an sich. Er roch an ihren Haaren und sog ihren Duft in sich ein. Es dauerte dann auch nicht mehr lange und Beide schliefen tief und fest.
 
Als Angelo am nächsten Morgen aufwachte umklammerte er Kira immer noch, dies schien sie jedoch keineswegs zu stören, da sie tief und fest schlief. Er lauschte ihren regelmäßigen, tiefen Atemzügen und genoss die Wärme, die von ihrem Körper ausging. Kurz überlegte er ob er sie wecken sollte, entschied sich dann aber dagegen.
Er wusste ja schließlich immer noch nicht, was das hier zu bedeuten hatte. Wollte sie zu ihm zurück oder war das nur ein Anflug von Einsamkeit, wo sie jemanden um sich herum brauchte?
Er spürte wieder diesen Stich in der Magengegend wenn er daran dachte, dass sie womöglich trotzdem nicht zu ihm zurück kommen würde. Unwillkürlich drückte er sie noch fester an sich und steckte seine Nase in ihre Haare. Doch offenbar hatte er etwas fest gedrückt, denn Kira bewegte sich und wurde langsam wach.
„Guten Morgen“ wisperte sie verschlafen und rieb sich die Augen. Sie machte allerdings keine Anstalten sich aus seinen Armen zu winden und er wertete das schon einmal als gutes Zeichen.
„Guten Morgen“ flüsterte er in ihr Ohr zurück „Hast du gut geschlafen?“ Sie nickte und drehte sich auf den Rücken. Sein Arm lag nun auf ihrem Bauch „Und du?“ – „So gut wie lange nicht mehr.“
Sie starrte an die Decke und dachte nach, Angelo ließ ihr die Zeit und begnügte sich damit, ihren Bauch unter ihrem Schlafanzug zu streicheln. Einige Zeit später entfernte sie seinen Arm von ihrem Bauch und setzte sich auf, dann schwang sie die Beine vom Sofa und stand auf „Ich muss mal nach den Kleinen sehen.“ Damit verschwand sie aus dem Wohnzimmer und ließ einen traurigen Angelo zurück.

Angelo lag noch ein paar Minuten auf dem Sofa und starrte nun seinerseits an die Decke, doch schließlich konnte er auch nicht mehr liegen und verschwand im Badezimmer, wo er ausgiebig duschte.

Anschließend putzte er sich die Zähne, rasierte sich und schmierte sich Gel in die kurzen Haare, inzwischen hatte er sich gut an sein Spiegelbild gewöhnt und fand es sogar gut. Die Kurzhaarfrisur machte ihn älter und auch männlicher. Doch dann fiel sein Blick auf seine Leibesmitte und er erschrak. Das war ihm bisher nie aufgefallen, er hatte zugenommen und das nicht zu knapp. Fand Kira ihn deshalb etwa unattraktiv? Er nahm sich vor heute vor dem Schlafen Joggen zu gehen, denn mit dieser Wampe würde Kira ihn sicherlich niemals zurück haben wollen.

Er zog sich schnell ein T-Shirt über, doch sein Bauch zeichnete sich noch deutlich ab. So legte er sich auf den Boden und machte ein paar Sit-ups, danach fühlte er sich besser und verließ das Bad in Richtung Küche, wo sein Bruder mit Kira und den Kindern saß. Er brummte einen Gruß und öffnete den Kühlschrank, doch was er da sah gefiel ihm nicht, so setzte er sich an den Tisch und machte sich lediglich ein paar Toast, die er mit Käse und Salami belegte.

Paddy und Kira waren gerade in eine Unterhaltung vertieft, hatten jedoch mitbekommen, dass Angelo schlecht gelaunt war. „Ähm, Paddy, sag mal, könntest du für mich evtl. kurz die Kinder duschen und anziehen? Das kannst du doch jetzt, oder?“ sagte sie mit einem Augenzwinkern in Anspielung auf den gestrigen Abend. Paddy schluckte den Köder sofort und nickte „Ja, kann ich. Dann gib mir also mal die Lütten.“ Er nahm Emma und Helen auf den Arm „Komm, Gabe. Wir gehen baden.“

Gabriel sah ihn erfreut an „Kommst du mit uns in die Badewanne?“ – „Ach was. Ich nehme euch doch viel zu viel Platz weg. Ich gucke euch beim Baden zu.“ – „Nein“ Helen schüttelte ihre blonden Locken „das passt schon. Bitte, komm mit uns, Onkel Paddy.“ Paddy gab sich geschlagen „Na gut, aber nur kurz“.

Kira sah den vieren lächelnd hinterher, wie sie aus der Tür verschwanden, dann wandte sie sich an Angelo.

„Ich glaube wir müssen reden“ sie klang zerknirscht. Er sah sie mit einem erbarmungswürdigen Dackelblick an, doch Kira nahm sich vor, dieses Mal hart zu bleiben.

„Das mit gestern war ein Fehler“ sie sah auf die Tischplatte und wartete ab, doch er sagte nichts, sondern legte sein ungegessenes Toast zurück auf den Teller, stand einfach auf und wollte die Küche verlassen.

„Geh nicht, warte bitte.“ Kira sah ihn flehend an „Sag doch was dazu.“ – „Kira, was soll ich dazu sagen? Du sagst, dass wir uns gestern geküsst haben und dass wir zusammen eingeschlafen sind war ein Fehler. Was also soll ich bitte darauf antworten?“ Darauf konnte Kira auch nichts antworten, so zuckte sie nur mit den Schultern und sah schuldbewusst weg „Ich wollte dich nicht verletzen?“ – „Das hättest du dir früher überlegen müssen. Ich gehe jetzt eine Runde joggen. Wenn ich wieder komme wäre es schön, wenn ich dich hier nicht mehr antreffen würde.“

Er verließ die Küche, zog sich seine alten Jogging-Klamotten an und joggte dann wie ein Irrer los.

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Kommentare: 1
  • #1

    Die Micha (Dienstag, 12 Oktober 2010 21:02)

    Der arme Angelo!!!